Borkenkäfer wüten in Sachsens Wäldern

Foto: Archiv

Der Wald kämpft mit der größten Borkenkäferplage seit 70 Jahren. Während die Bäume durch Hitze und Trockenheit ausgelaugt sind, vermehren sich die Schädlinge in warmen Jahren besonders stark.

Ein Käferpaar des Großen Buchdruckers etwa kann dann bis zu 30.000 Nachkommen haben. Professor Michael Müller, Inhaber der Professur für Waldschutz der TU Dresden, und sein Team haben beginnend im Jahr 2004 und zuletzt im Verbundprojekt „bioProtect“ (2015-2020) eine Methode entwickelt, mit der man die Käfer umweltfreundlich regulieren kann. Projektpartner waren die Abteilung für Forstzoologie und Waldschutz der Georg-August-Universität Göttingen und die Ostdeutsche Gesellschaft für Forstplanung mbH.

Bei der Methode werden Rohhölzer, also geerntetes Holz, mit Substanzen präpariert, die ursprünglich den Pheromonen von Borkenkäfern entnommen wurden. Diese Botenstoffe dienen nicht nur der Kommunikation der Borkenkäfer untereinander. Sie signalisieren auch ihren Feinden, zum Beispiel Ameisenbuntkäfern, wo es Beute gibt. Man spricht dann von Kairomonen. Präpariert man Rohholz mit bestimmten Kairomonen, lockt das zum Beispiel Ameisenbuntkäfer an, die Borkenkäfer fressen. Die Borkenkäfer selbst werden dadurch aber nicht angelockt. Das Prinzip hat Professor Michael Müller schon 2004 entdeckt.

Bei „bioProtect“ haben die Forscher die Methode mit ortsfremden, sogenannten Allochthonen Kairomonen intensiv weiterentwickelt. Stark vereinfacht gesagt: In Laubwäldern nutzten sie Stoffe aus Nadelwäldern, in Nadelwäldern Stoffe aus Laubwäldern. Dieser Tausch zwischen Ökosystemen trickst die Borkenkäfer aus. Denn die Borkenkäfer, die Laubbäume besiedeln, kennen die Pheromone der Nadelbaumborkenkäfer nicht – und umgekehrt. Viele Feinde der Borkenkäfer jedoch können sich an den Kairomonen mehrerer Borkenkäferarten orientieren – sowohl in Laub- als auch in Nadelwäldern. Einigen von ihnen ist es egal, welche Käferart Signale aussendet. Hauptsache Borkenkäfer.

Die ortsfremden Botenstoffe sind also selektiv: Die Feinde der Borkenkäfer locken sie an, die Schädlinge jedoch nicht – oder schrecken diese idealerweise sogar ab. Als Larven fressen die Ameisenbuntkäfer die Borkenkäferstadien, die bereits im Holz sind. Die Käfer „patrouillieren“ zudem auf der Rinde, wo sie anfliegende Borkenkäfer fangen und fressen. So verhindern oder vermindern sie den Befall.

Die Kairomone lassen sich im Labor herstellen. Müller ist dank der Weiterentwicklung in „bioProtect“ optimistisch, dass die Methode in drei bis vier Jahren marktreif ist. „Dann kaufen Waldbesitzer im Fachhandel keine Insektizide, sondern naturnahe Stoffe, die sie an Rohholzstapeln anbringen“, sagt er. Die Stoffe müssen nicht aufgesprüht werden, sondern können zum Beispiel in Ampullen angebracht werden. Die kann man nach dem Gebrauch wieder entnehmen. „Die mit Allochthonen Kairomonen gesteuerten Borkenkäferantagonisten wie etwa die Ameisenbuntkäfer sind heimische Arten. Auch wenn die Populationen durch den Einsatz der Botenstoffe beeinflusst werden, reguliert sich das sehr schnell und ohne schädliche Nebenwirkungen“, so Müller. Die Methode der Allochthonen Kairomone sorgt dafür, dass die Plage nicht noch schlimmer wird: Sie schützt geerntetes Holz, mindert den Bruterfolg der Borkenkäfer etwa in Schutzgebieten und hält Populationsdichten niedrig. So bleiben Holzwerte erhalten und lebende Bäume werden in ihrer Abwehr unterstützt. Um die Massenvermehrung einzudämmen, müsste sich der Wald erholen – denn gesunde Bäume können sich auch selbst gegen Borkenkäfer wehren.

Warum haben es Borkenkäfer aktuell so leicht? Wie genau schädigen sie die Bäume? Das erklärt Professor Michael Müller in diesem Video.

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