Ein privater Sicherheitsdienst, der Staatsschutz sowie Polizisten in Uniform und Zivil hatten sich unter die rund 300 Gäste gemischt, die in der Universität Halle erfahren wollten, wie man denn nun mit dem neuen Rechtsextremismus umgehen solle. Handelt es sich tatsächlich um ein reines Ost-Problem? Oder warum ist der Nährboden für rechtsextremes Gedankengut besonders in den neuen Bundesländern so verlockend? In Halle hat sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Universität ein Zentrum der sogenannten Identitären Bewegung niedergelassen – kalkulierte Provokation?
Die Sicherheitsmaßnahmen, die von den Veranstaltern, der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, sprachen zumindest Bände. Man befürchtete Krawall, nicht nur von der rechten Seite. Denn im Vorfeld der Veranstaltung hatten sich auch Vertreter der linken Szene kritisch zu Wort gemeldet. Am Ende blieb es ruhig, ein sachlich und fachlich gut aufgestelltes Podium bemühte sich, faktenbezogen zu argumentieren.
Beispielsweise äußerte Hilmar Steffen, der als Referatsleiter im Innenministerium Sachsen-Anhalt deutlich machte, dass der Verfassungsschutz natürlich erst aktiv werden könne, wenn es nachhaltig und offensichtlich Hinweise auf rechtsextremistische Bewegungen gebe. Wichtig sei es, die Diskussion nicht zu vermeiden, sondern sich klar im Vorwege gegen derartige Bestrebungen zu wenden.
Rechter Vorsprung
Ein Argument, das Christoph Giesa aufnahm und verstärkte. „Diese Rechten sind uns Jahre voraus. Die haben Strategien und Programmatik erarbeiten und studieren können“, machte der Publizist aus Hamburg deutlich. Giesa hat sich in den vergangenen Jahren im Bereich Rechtsextremismus-Recherchen einen Namen gemacht. Er wollte nur bedingt Unterschiede machen zwischen Identitären Bewegungen und Parteien wie beispielsweise der Alternative für Deutschland (AfD). „Die AfD ist nicht Resultat der Euro-Krise oder der Flüchtlingsbewegungen der zurückliegenden zwei Jahre“, machte Giesa deutlich, auch wenn das vonJournalisten dankend aufgenommen wurde. „Der Rassismus der Identitären heißt Ethnopluralismus“, erklärte Giesa. „Das heißt letztlich, die Rassen sollten schon parallel nebeneinander leben dürfen und die eine steht auch nicht über der anderen. Alle sind grundsätzlich gleichwert, aber nur, solange sie sich nicht vermischen“, erklärte er die Ideologie. „Und dann wird immer das Beispiel genannt, ja man will doch auch nicht, dass Hunderassen sich auflösen und irgendwann alle Hunde gleich aussehen.“
Perfide Argumente
Giesa nannte dies eine perfide Argumentation der Rechten, die so ganz im Gegensatz zu der von den Nationalsozialisten verbreiteten Rassenideologie zu stehen scheint. Die neuen Rechten seien eben nicht die Nazis von damals. Ziel sei es, salonfähig zu werden und die Mitte der Gesellschaft zu erreichen, also Menschen, die nicht per se rechtsextremes Gedankengut in sich tragen. Alte Ideologien, die sich neu verpackt neue Wege suchen.
Politikwissenschaftler Tom Mannewitz betonte, dass die Mitglieder Identitärer Bewegungen eben nicht die typisch offensichtlich Rechten seien, die man schon am Aussehen erkenne. Das Bild habe sich gewandelt. Allerdings treten die Mitglieder auch offen auf, bekennen sich und sind bekannt.
Ein Problem vor allem in Universitäten. Denn wo Rechte in Vorlesungen erfahren würden, wie man mit Medien umgeht, würde man doch die Methoden der Nazis auch noch unterstützen. „Nein, das ist kein Problem“, machte Giesa deutlich. „Sie müssen sich eben Verbündete suchen. Wenn die Rechten mit vier Leuten dort sitzen, kommen Sie mit sechs! Lassen Sie sich nicht unterbuttern!“
Kein Ost-Problem
Ein Ost-Problem seien die neuen Rechten und die Identitären keinesfalls. Allerdings würden die Argumente hier schneller fruchten. Existenzängste, Furcht vor dem Neuen, nicht gewachsene Strukturen. Der Osten habe Nachholbedarf, die Demokratie habe hier eine andere Geschichte. Da helfe es nur, politisch Stellung zu beziehen, waren sich die Diskutanten einig.
l D Oliver Carstens
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