Dresden. Es geht um Abschiebung. Um das Schicksal einer Familie. Darum, wie Menschen leiden, wenn sie zurück müssen, aus Deutschland in ihre so fremd gewordene vermeintliche Heimat. Um ein Mädchen in der Pubertät, das sich in Deutschland verliebt hatte und nun Freund und Mitschüler hinter sich lassen muss. Um einen Jungen, der traumatisiert seit Jahren kein Wort mehr spricht. Um Bruno, den Jungen, der nun allein in Deutschland um seine Freundin fürchtet und dessen Vater mehr mit sich selbst zu tun hat, als dass er sich um seinen Sohn kümmert. Und es geht um die Verantwortung jedes Einzelnen in einer Maschinerie, in der Paragrafen und Mitläufer über das Schicksal von Menschen entscheiden.
„Deportation Cast“ von Björn Bicker ist seit einiger Zeit wieder so aktuell, wie zu der Zeit, in welcher der Autor die Geschichte schrieb. 2011 feierte das Stück seine Uraufführung in Hannover. Seither wurde es zigfach gespielt. zuletzt vom Jugendensemble des Theater für Niedersachsen in Hildesheim.
Im vergangenen Jahr kam das Stück auch auf die Bühne des tjg. Theater junge Generation in Dresden. Dort inszenierte Kalma Streun das Stück. Und setzt auf ein unruhiges Gewirr von Licht- und Toneffekten. Auf unzählige Requsiten. Und macht damit zunichte, was das Stück eigentlich aussagen soll. Denn Autor Bicker setzt auf die Zwischentöne. Auf die Ruhe, die in Szenen eigentlich immer wieder die Beklemmung der Akteure spürbar machen sollte. Das aber bleibt in dieser Inszenierung völlig aus. Dem Zuschauer bleibt gar keine Zeit, zur Ruhe zu kommen, nachzudenken, was da eigentlich gerade auf der Bühne mit den Charakteren passiert.
Performanceschlacht statt inhaltlicher Auseinandersetzung
Und auch die Figuren wirken überdreht. Der traumatisierte Egzon (Moritz Stephan) läuft wie ein Gorilla über die Käfige auf der Bühne, die jedem Darsteller eine Art Schutzraum bieten sollen. Statt die Darsteller spielen zu lassen, erzählt Egzons Rolle die Handlung. Dabei wirkt Moritz Stephan leider oft genau so: wie ein Erzähler. Der aber lässt die Emotionen hinten rüber fallen. Den Jungen Bruno (Manuel de la Peza) inszeniert Streun als dumpfbackigen Teenager, nicht wie den empfindsamen Jungen, der am Ende des Stückes Selbstmord begeht. Denn das passt hier nicht in das Bild, das die Regisseurin von ihrem Akteur zeichnet. Und Elvira (Viviane Podlich) ist die Ghetto-Rotzgöre, die schimpfend und keifend derart überzeichnet ist, dass dem Zuschauer glatt die Lust vergeht, tiefer einzusteigen in die Materie. Auch Bruno und Egzon sorgen nicht dafür, als Personen wahrgenommen zu werden, deren Schicksal es sich lohnt, angenommen zu werden. Das ernste Thema, das Regisseur Björn Bicker hier gewählt hat, geht unter in einer Requisiten- und Performanceschlacht.
Ist das schon Kunst, was Regisseurin Streun das auf der Bühne praktiziert, oder fehlt es ihr und ihrem Ensemble am Textverständnis? Warum gibt sie der nervigen Performance mehr Raum, als dem eigentlichen Inhalt? Es gibt andere, weit bessere Inszenierungen von „Deportation Cast“ und es bleibt zu hoffen, dass die Zuschauer dieser Dresdner Inszenierung sich auch nach deren Besuch noch mit der Thematik beschäftigen wollen. Dass es auch in Zukunft noch Regisseure gibt, die sich mit dem Stoff von Bicker beschäftigen wollen. Und die es dann auch besser machen.
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