Dekadenz, Tabubruch, Abgründe taten sich dem empörten Dresdner Uraufführungspublikum der „Salome“ 1905 auf. Seither inszeniert die Semperoper das skandalöse Strauss-Werk immer wieder und muss sich jedes Mal am damaligen Aufschrei messen lassen. Die nunmehr achte Interpretation legt gemeinsam mit dem musikalischen Leiter Omer Meir Wellber der Gelsenkirchener Regisseur Michael Schulz vor.
Folgerichtig stellt dieser den verruchten Tanz der sieben Schleier in den Mittelpunkt. Die in Dresden lebende Schweizer Burlesque-Tänzerin Koko La Douce zeichnet für die Choreografie verantwortlich. Hinter den Kulissen macht das Urteil „Peinlich!“ die Runde. Gut so, denn Schulz beabsichtigt ja auch, den Tanz nicht nur mit den Augen des geilen Königs Herodes zu betrachten, sondern auch aus der Sicht von Moralapostel Jochanaan.
Der Prophet muss diesmal )nicht nur im Keller schmoren, um mit seiner körperlosen Stimme Salomes Sehnsucht nach einer besseren Liebe zu wecken, sondern kommt dank Mondgesicht und Hebebühne zu einer Präsenz, die die Dresdner an ihren Mahner Rosenlöcher erinnern mag. Bühnenbildner Dirk Becker baut ein Kinderzimmer für die Teeniefrau, die sich vor einer sexualisierten Erwachsenenwelt mithilfe von Nussknacker und Lucky Luke (Kostüme Renée Listerdal) in naive Fantasien flüchtet.
Das Thema einer von Maß- und Hemmungslosigkeit verdorbenen Jugend ist nach wie vor aktuell, ebenso die Übergriffigkeit von Herodes. Doch Oscar Wilde lässt in seiner dichterischen Vorlage des Einakters nicht ihn, sondern die mit dem Begehren spielende Prinzessin sterben – nach dem symbolisch gemeinten Prinzip: Wer andern den Kopf abreißt, weil sie die eigenen fehlgesteuerten Bedürfnisse nicht stillen können, verliert den Kopf.
erste Premiere der Spielzeit am 24. September, weiter am 27. und 30.9., 28.10. und 4.11., jeweils 19 Uhr, Karten ab 27 Euro unter: www.semperoper.de
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